Die meisten sagen es klebe wie ein Adlerhorst am Felsen hoch über der Bucht mit dem tiefblauen Wasser, in der ein großer Teil des Erfolgfilms „Im Rausch der Tiefe“ von Luc Besson im Jahr 1987 gedreht wurde. Noch heute wird dieser Film „Le Grand Bleu“ täglich in der gleichnamigen Bar in Xilokeratidi um 20:30 h gezeigt. In welcher Sprachfassung allerdings ist mir nicht ganz klar. Da seit der Filmproduktion mehr und mehr Franzosen die Insel besuchen, wird es wohl die französische Fassung sein (ich glaub die Originalfassung ist in Englisch).
Ich erinnere mich noch sehr deutlich daran, welche Wellen das Filmteam damals auf der Insel schlug. Als einschneidende Veränderung gab es seitdem den ersten Mopedverleih und bei Popi im Hafen (To Mouragio) Lobster auf Salat als kleinen Imbiss.
Aber nicht abschweifen. Das Kloster klebt nicht wie ein Adlerhorst am Felsen, sondern eher wie ein Möwenschiss. Sein weißer Anstrich, den es ursprünglich natürlich nicht hatte, verstärkt diesen Eindruck.
Trotzdem – oder gerade deshalb – ist es sehr attraktiv und seine spektakuläre Lage lädt zu einem Besuch ein, der Bus fährt sogar bis vor die Klosterpforte.
Wir jedoch nehmen den alten Treppenweg von Chora hinunter, der weiter bis zur Kapelle Agia Anna führt.
Doch auch den Busreisenden wird noch einiges abverlangt. Denn der Treppenweg von der Pforte bis hinauf zum Kloster hat es in sich. Da fließt schon mal der Schweiß bei den gut vorbereiteten Touristen in langen Hosen und Röcken, und auch die tägliche Versorgung des Klosters ist eine mühselige Arbeit für Mensch und Tier.
Ich habe das Kloster bis jetzt immer buchstäblich links liegen gelassen, auf dem Wanderweg, der hinter dem Kloster beginnt und der bis nach Egiali durch die wunderbaren Landschaften von Amorgós führt. Sollten doch die paar Mönche mit ihrem Abt Spiridonis ihre Ruhe behalten. Und da auf der Infotafel aufgeführt ist, dass das Kloster keine „Leihkleider“ mehr zur Verfügung stellt, sehe ich sowieso keine Chance, denn eine lange Hose und einen langen Rock haben wir nicht dabei. Dabei kenne ich den Abt schon sehr lange, der sich Mitte der 80er Jahre schon mal an den Strand von Agia Anna wagte, sobald wir letzten Tagestouristen weg waren. Damals war er natürlich noch nicht der Abt des Klosters, sondern ein junger Mönch.
Also gehen wir weiter am Kloster vorbei. Doch was ist das? An der klitzekleinen Eingangstür des Klosters entledigen sich ein paar Besucher ihrer langen Klamotten und bringen sie ins Kloster zurück. Offenbar gibt es doch wieder Tücher und Hosen im Verleih. Na gut, dann wagen wir es auch, denn insgeheim war der Ausblick von der Klosterterrasse schon immer mein Wunsch. Also rein in eine unsägliche Hose, die drei Nummern zu groß ist (sie ist nochdie Kleinste von allen), aus schwerem Stoff und am Hosenbund fehlt der Knopf.
Egal, also mit der Hand die Hose gehalten und die steile Treppe rauf, an deren Ende die Gesichtskontrolle in Form eines grimmig blickenden Weltlichen wartet. Hose an? Rock an? Gut. Weitergehen. Links. Der Schweiß fließt in Strömen. Wir besichtigen kurz das Chorgestühl, die kleine Kapelle, in der ein Mönch genervt aufpasst, dass nicht fotografiert wird, und werden dann von einer Frau empfangen (eine Frau in der Männerwelt des Klosters? Hm, komisch!), die ein Tablett mit Wasser, Rakomelo-Schnaps („Produced by the monks!“) und pudergezuckerten Süßigkeiten präsentiert.
Sie führt uns in einen weiteren Raum, an dessen Wänden Fotos von offenbar früheren Äbten des Klosters hängen, und bittet uns Platz zu nehmen und Wasser und Rakomelo zu trinken. Möchte mal wissen, wer den Rakomelo erfunden hat, eine tolle Marketingidee: Raki mit Honig, eigentlich nur für die Winterzeit gedacht, möglichst noch erwärmt, vor 25 Jahren gab es das Zeugs jedenfalls im Sommer noch nicht auf Amorgós, heute der Exportschlager schlechthin. „Sit down. You have to sit down. Drink this. You have to drink this.“ Dann bietet sie die gezuckerten Süßigkeiten an. “Eat”. Ich versuche eingeschüchtert eines dieser süßen Dinger, grünes Fruchtgelee in Puderzucker, kenne sie ja schon von anderen Klosterbesichtigungen, gut mit Wasser nachspülen. Rakomelo bei der Hitze lieber weglassen. So sitzen wir dort durchgeschwitzt zusammen mit anderen Besuchern und verziehen uns dann doch lieber auf die Klosterterrasse, weil der wunderbare Blick durch das Fenster Besseres verheisst.
Wow, welch ein Ausblick auf das große Blau! Ein Klosterbesuch lohnt also doch. Ein paar Minuten die Ruhe genießen, dann wieder hinein in die Dunkelheit.
„You have to come here!“ ertönt die bekannte Stimme, doch wir wiegeln ab. “No,we have to go.” Mir reicht es, wir haben alles gesehen was wir wollten, leider war der Abt Spiridonis nicht da, er
kommt uns beim Verlassen des Klosters entgegen, hat wohl in Katapola eingekauft, erkennt uns im dunklen Raum aber leider nicht. Wir treffen ihn später auf der Skopelitis. Wir gehen grüßend nach
draußen und entledigen uns der armseligen Klamotten, flüchten in die geliebte Landschaft.
Natürlich werden wir am nächsten Morgen wieder von den Aktivitäten in Chora geweckt. Als hätten sie auf uns gewartet, muss heute unbedingt der alte Sendemast abmontiert werden, der am alten Hubschrauberlandeplatz. Schon lange gab es Proteste aus der Bevölkerung, da nicht geklärt war, in wieweit die Strahlung für die Schüler der daneben gelegene Schule schädlich sei. Was zuerst aussah wie Reparaturarbeiten, entpuppt sich dann doch als eine komplette Demontage, per Flex, elektrischen Schraubendrehern und allem Pipapo.
So flüchten wir tagsüber per Mietauto zu entfernten Zielen auf der Insel, sehen, dass das idyllische Ag. Pavlos auch von Baustellen verschandelt wird – eine große Apartmentanlage liegt in den letzten Zügen, auch Amorgos wird kräftig zugebaut.
Von Aegiali, das meiner Meinung nach immer ein wenig unaufgeräumt wirkt und daher nicht so mein Fall ist, geht es weiter nach Langada, von wo wir die Wanderung zum Kloster Ag. Ioannis Theologos auf dem Wanderweg Nr. 5 hinaufgehen, vorbei dan der Barbara Kapelle, kurz bevor sich der Himmel zuzieht.
Aber zur Not hätten wir im Theologos Kloster auch in einer der Pilgerzellen übernachten können, Betten und sogar Bettzeug standen bereit, obwohl das Kloster ja nicht bewohnt ist.