Dieses Imerológio schreibe ich um zu zeigen, warum die Chora von Amorgos einer meiner Lieblingsorte auf den Kykladen ist.
Eigentlich hatte ich auf Amorgos bei unzähligen Besuchen schon alles durchfotografiert, allerdings nur bei blauem Himmel, und so passt es ganz gut, dass Katapola heute unter einer grauen
Wolkendecke liegt, es ist ja auch mal wieder unser Anreisetag. Im Gegensatz zu Koufonissi ist hier schon mehr los, einige Touristen verlassen mit uns die Skopelitis, wir mieten uns ein Auto bei
Thomas, denn der Busfahrplan ist jetzt im Oktober sehr ausgedünnt, fahren zu unserer Unterkunft hoch in die Chora, zu unserer Pension Ilias. Noch ist ja Sommerzeit, dennoch wird es schon um
sieben Uhr dunkel, Zeit für einen ersten Rundgang.
Wir kommen am Kastanis vorbei, das schon seit dem ersten Besuch unser Stammlokal auf der Gasse ist, und das der Familie unseres Vermieters gehört, in all den Jahren allerdings an unterschiedliche
Köche verpachtet. Ich erinnere mich noch an den legendären Nikos, einem wunderbaren jungen Koch, der uns alle verwöhnte und uns mit der griechischen Küche bekannt machte, dann kam Stelios, der
alles verschenkte, mit seinem Lieblingsspruch „I put one out for you“, danach Vangelis, der uns das auf dem Tisch liegende 50 Drachmen-Trinkgeld hinterher brachte: „You know I feel
uncomfortable“, dann die Wirtin, die jetzt das „I Thea“ führt, und von der die meisten Gäste wohl glauben sie heiße Thea, vielleicht wegen der schönen Aussicht. Nun hat das Kastanis seit ein paar
Jahren der Sohn von Elias, unserem Vermieter übernommen, Adonis heißt er, und er musiziert gern. Adonis singt und spielt Geige, sein Freund spielt die Laoúto als wir gerade durch die Gasse
schlendern. Und natürlich kehren wir auch bei ihm ein und genießen die gute griechische Hausmannskost.
Chora macht selbst Ende Oktober noch keinen verschlafenen Eindruck, Geschäfte und Cafés sind auch spät abends geöffnet, vielleicht aus Langeweile der Betreiber, die lieber in ihren Läden sitzen
als zu Hause.
Dass es in Chora eigentlich immer „einen Kittel kälter ist“ als unten in Katapola stört uns im Moment nicht, das Thermometer zeigt in der Nacht noch 18 Grad, und tagsüber klettert es auf
angenehme 23, und das Ende Oktober.
Wir genießen es, am Morgen durch die engen Gassen zu schlendern, die Hand auf die sonnenbeschienenen alten weiß gekalkten Mauern zu legen, diese krummen, unperfekten und scheinbar organisch
gewachsenen Strukturen sind eine Wohltat der Sinne, im Gegensatz zu unseren glatten Wänden und Architekturen. Wir beobachten die vielen Kätzchen, bei Nikos im kleinen Supermarkt kaufen wir für
das Frühstück ein und nehmen einfach schon mal einen Elleniko metrio im Fotodotis. Der Loza-Platz ist leergefegt, hier haben die Cafés schon Winterpause.
Bei einem kurzen Rundgang in Katapola erkunden wir die Lage, auch hier herrscht keine Hektik mehr, Segler gibt es kaum, alles geht ruhig seinen Gang, viele Lokale haben mittags geöffnet, unser Lieblingslokal am Rand „akri“ leider nicht. Am Abend ist noch weniger los. Aber das Corner muss ja auf haben schon wegen der Skopelitis-Crew.
Natürlich haben wir Amorgos nicht als Badeurlaub geplant, allerdings nehmen wir das gute Wetter gerne mit am fast leeren Mouro Strand, auch bei angenehmen Wassertemperaturen.
Ansonsten konzentriere ich mich mehr auf das Fotografieren und genieße es einfach, in der Natur zu sein. Das immer wechselnde Licht zu dieser Jahreszeit ist schon ein Schauspiel für sich. Es muss
nicht immer blauer Himmel sein.
Die nordöstliche Inselhälfte wirkt im Gegensatz zu Katapola und Chora deutlich ruhiger, in Tholaria begegnen wir keinem Menschen, und auch das sonst quirlige Aigiali wird nur noch von ein paar sonnenhungerigen Touristen bevölkert. Das macht den Blick frei für neue Motive, die Melancholie des Herbstes.
Rund um Agia Anna beschallt ein Saxophonspieler die Szenerie im Abendlicht, wie im Amphitheater schallt der Ton durch die gesamte Bucht, einfach feierlich, als wäre es ein Abschiedslied auf den
verpassten Corona Sommer.
Und die Sommerzeit endet tatsächlich auch in Griechenland an diesem 25. Oktober.
So wird uns eine Stunde Schlaf mehr geschenkt, um die Blue Star dennoch etwas müde um 6 Uhr in Katapola zu erreichen, die uns nach Naxos bringen wird.