Abgeschieden war für uns auch immer Ano Meria, das Bauerndorf am anderen Ende der Welt auf Folegandros. Der Busfahrer, der auf der damals noch asphaltfreien Piste jedes Schlagloch kannte, ganz vorsichtig fuhr, das Material schonte und dadurch erreicht hat, das der alte Bus auch heute noch in Betrieb ist, fährt uns von der neuen Bushaltestelle aus, die am Ortseingang hinter der Post liegt, und die nicht mehr die „schönste Bushaltestelle der Welt“ ist.
Er fährt wieder ganz vorsichtig nach Ano Meria, an die Ausstiegstür hat er von innen „SIGA“ geschrieben. Klar, immer schön langsam fahren. Der Bus ist noch leer, kaum Touristen, die nach Ano
Meria wollen. Am Ortseingang wollen wir bei Irinis Kafepantopoleio aussteigen, auf „mia stási edó gia mas, parakaló!“ reagiert der Busfahrer, hält an, wir steigen aus und schlagen die Tür hinter
uns zu, kräftig, wie es sich für einen alten Bus gehört. Klappt aber nicht, auch beim dritten Versuch nicht, die Tür springt immer wieder auf. „Siga, siga“ ruft der Busfahrer, und schließt die
Tür von innen ganz sanft mit Gefühl, mit sanftem Zug.
O.K. jetzt weiß ich, was das „SIGA“ auf der Tür bedeutet:
„Blöde Touristen!“.
Irini steht in ihrer Küche, es brutzelt etwas in der Pfanne. Was es denn gäbe, frage ich. Natürlich alles, Fleisch, Gemüse, Salat. Was wir denn wollen? Es ist noch zu früh. Ich kaufe aus Verlegenheit einen Apfel, ein Prachtstück, dunkelrot, die liegen im Regal unter den Tomaten, und lobe den Laden, alles so schön hier, ob ich ein paar Fotos machen dürfe? Sie legt nur leicht ihren Kopf auf die Seite, endaxi. Auch die beiden anderen Gäste habe nichts dagegen. Jatí ochí; warum nicht?
Es ist eine Welt für sich, sehr ordentlich und aufgeräumt. Wieder ein Stück authentisches Griechenland im mondänen Folegandros. Man kann nur hoffen, dass es diese alten Läden wie Irinis, das To
Kyma auf Donousa oder das Ticketcafé Preka in Katapola noch lange geben wird, aber wenn die Touristen dort nur einen Elliniko trinken oder einen Apfel kaufen, sieht es für die Zukunft nicht rosig
aus. Die griechische Stammkundschaft stirbt langsam aus und die jungen Leute wandern ab.
Wir tippeln die Hauptstraße weiter durchs Dorf, wollen zum St. George Bay hinunter, die Straße zieht sich hin, das unscheinbare Ano Meria ist mehr als drei Kilometer lang. Was sofort auffällt: es
wurde viel gebaut, neue Touristenunterkünfte, direkt an der Straße und etwas abseits davon. Warum auch nicht? Mit Mietfahrzeug ist alles erreichbar. „Alitanes“, mit „Windmills Restaurant“. Oder
noch edler: „Lemon Tree Houses“ mit Poolbar. Da spart man sich gleich die Übersetzung ins Griechische. Für wen auch? Der Ausblick hinten raus ist fantastisch, auf Landschaft und Ägäis. Vieles ist
noch im Bau, aber die potentiellen Käufer könnten schon zuschlagen. Und für die weitere Verpflegung wäre gesorgt, die alteingesessenen Minimärkte und Tavernen werden davon hoffentlich
profitieren, wie Maragoudiko, Mykoniatissa, Marketaki, das wunderbare Mimis oder der Treff bei Maria.
Und wer es lieber italienisch mag, der findet gleich am Anfang des Weges zum Ag. Georgios Beach hinunter das Pizzeria-Ristorante „PANEVINO“. Ein paar Flaschen wurden dort jedenfalls schon mal geleert. Folegandros zeigt sich nach wie vor als Insel der Gegensätze.
So geht es gutgelaunt das Monopati mit Blick auf das wie immer unvergleichlich blaue Meer die Küste hinunter, teils auf altgepflasterten Wegstücken, teils auf dem Eselspfad an den Trockenmauern entlang, mit Blick auf Sikinos und zurück auf das Panagia Kap mit der gleichnamigen Kirche. Die Agios Georgios Bucht lädt dann nach gut einer Dreiviertelstunde zum Bade ein, ein beschauliches Fleckchen, wenn man nicht permanent an den bevorstehenden etwas mühsamen Rückweg denken würde – es sei denn, man wäre per Quad angereist, die Möglichkeit bestünde, die Straße ist längst vorhanden.
Dennoch, die Ausblicke auf dem Rückweg in der nachmittäglichen Sonne entschädigen, und die gewonnene Kondition macht sich in den nächsten Tagen dankbar bemerkbar, wenn der Muskelkater verschwunden ist. Wir warten bei Marias Treff ein wenig auf den Bus und erreichen die abendliche Chora rechtzeitig zum Sonnenuntergang, gehen die Serpentinen hinauf zur Panagia Kirche.
Wobei uns dann doch ein gewisser Sonnenuntergangstourismus etwas verwundert. Aber wir zählen uns natürlich nicht dazu.