IOS - Zwischenstopp, Anfang  Juni 2022

Es ist nicht die Zeit der Romantik oder Nostalgie. Eher die Zeit der Realität, der Pandemie und des Ukraine Krieges. Eine Zeit, die uns aufwühlt. Eine lange Weile geht das nun schon so.

Jedoch was ist das plötzlich für ein Hype? Jeder und jede will in diesem Sommer plötzlich auf die Kykladen, oder zumindest nach Griechenland.  Woran das liegt? Vielleicht daran, dass uns in den Medien und im Internet jede Menge Kykladenfotos anspringen, Influencer die Kykladen plötzlich entdeckt haben, bei allen Fotos die Farbsättigung reingedreht, so wie es sonst nur George Meis konnte. Oder weil man einsieht, dass der Ballermann doch nicht so erholsam ist? Oder der Campingurlaub am Plöner See eher mit Schlechtwettergarantie und zu Höchstpreisen zu haben war, und Campingplätze etwas anders sind als ein einsames Wohnmobil am Ufer eines Sees? Und immer nur auf dem eigenen Balkon wird es langsam auch langweilig. Offenbar hat das griechische Fremdenverkehrsamt gute PR-Arbeit geleistet. Also, los geht´s.
Allerdings mit irgendetwas musste man ja rechnen, jetzt da die Pandemie zumindest für diesen Sommer vorbei sein sollte. Aber dass Anfang Juni der Vorabend Check-in am KölnBonner Flughafen zwei Stunden in der Warteschlange dauern würde, und dass dann in Piräus bei der Abfahrt des Worldchampion-Jets morgens um Sieben die Schlange zum Boarding fast bis zum Nordpol reicht, das war schon überraschend. Dennoch – verglichen mit dem, was ab Ende Juni zu Beginn der Ferien in den deutschen Flughäfen los ist, hatten wir noch ein Riesenglück.

Wie dem auch sei, nach einer Übernachtung in Piräus legt unsere Fähre – der Worldchamion-Jet - pünktlich ab, nimmt in Mykonos noch eine Menge Passagiere auf, die wohl nach Santorini wollen, und da unser Ziel Sikinos heute nicht in einem Rutsch erreichbar ist, machen wir als Erstes einen Zwischenstopp auf Ios, und wenn schon, dann gleich auch für zwei Nächte.

So beginnt für uns der Einstieg in die Kykladenwelt mit dem Eintauchen in den Infinity-Pool unseres kleinen Hotels in der Hafenbucht von Ios.

Das hört sich erstmal luxuriös an, ist es auch. Annerie und Chris, die sich in Anneries Heimat Südafrika kennen gelernt hatten, haben sich hier von 25 Jahren nieder gelassen und dieses kleine Hotel mit ca. 10 Zimmern eröffnet. Während Annerie das Booking-Management macht und die Gäste mit ihrem Rechtslenker-Auto (es ist ein britisches) vom Hafen abholt und um die Bucht fährt, kümmert sich Chris - der aus Thessaloniki stammt - um die Gäste, bereitet das umfangreiche Frühstück, sorgt sich um den Pool, und in der Zwischenzeit werden die Zimmer von Jana gemacht. Ein 3-Personen Unternehmen also. Eigentlich habe ich das Hotel nicht wegen des Pools ausgesucht, sondern trotzdem. Und als mir Chris erzählt, dass er ihn ausschließlich mit Regenwasser vom letzten Winter füllt, find ich das Ding dann auch ganz OK. Beim Frühstück lernen wir die anderen Gäste schnell kennen, meist ältere Semester, weitgereiste Kykladenkenner, und alles Wiederholungstäter. Stammgäste, die auch neugierig auf neue Gäste sind.

Ein erster Gang führt uns den Hafenstrand „Paralia Gialos“ entlang, der viel länger, breiter und schöner ist als in Erinnerung. Ja, in dieser Ecke könnte man schon etwas länger verweilen.

Über den pittoresken Treppenweg gelangen wir in die Chora von Ios, vorbei an der putzigen kleinen Ag. Georgios Kirche, die halb in die Erde verbuddelt scheint. Es ist früher Nachmittag, die Chora wie ausgestorben, nur einige Ladenbesitzerinnen langweilen sich in ihren leeren Boutiquen, wahrscheinlich wäre es ihnen jetzt zu Hause noch langweiliger, das NIOS Kafenion mit seinen bunten Stühlen öffnet erst später ab 7 mit Live-Musik und wünscht einen schönen Sommer.

Einzig das Kafenion am alten Dorfplatz unter dem Baum - die jetzige Ios Blue Bar - gehört zu dieser Tageszeit den alten Männern, wie eh und je. Und wenn sich zufällig auch Touristen mit ihren Kindern am Nebentisch niederlassen, leben die Alten plötzlich auf, zücken ihre Kombologia, wedeln damit den Kleinkindern vor der Nase rum, haben ihren Spaß, lassen sich gern fotografieren, und werden sogar gesprächig. Ganz stolz erzählen sie wie alt sie sind, der Älteste von ihnen, Giannis - der mit der Mütze, ist sogar schon zweiundneunzig! Und sie treffen sich jeden Tag.

Jugendliche, vorwiegend in Gruppen, sieht man auch am späten Nachmittag nur selten, sie müssen sich noch von der Nacht erholen und sich auf die nächste vorbereiten, gehen schon mal Stoff besorgen. So kommt man sich halt zeitlich nicht mit anderen Touristen in die Quere, und ich möchte gar nicht wissen, was abends in der Ios Blue bar der alten Männer (Shisha available here) los ist. Die Anzahl der Restaurants ist fast unüberschaubar, die Auswahl fällt schwer, wir entscheiden uns für das Safran oben am Treppenweg, der runter zum Hafen führt, und sind zufrieden, denn der Service ist nett, das Bier frisch, das Essen gut.

Am nächsten Morgen erkunden wir die Umgebung unserer Unterkunft, machen Rast am einsamen Tzamaria Beach, gehen die Hafenbucht fast bis zum Koubara Strand an der Westseite, hier wird viel gebaut, auch gibt es noch reichlich Restaurants und Hotels auf der Halbinsel. Ja, Ios ist hier erschlossen, ein ruhiges Plätzchen kaum zu finden.

Und „wenn schon, denn schon“ lassen wir uns vom Bus zum Milopotas Strand fahren, er fährt vom Hafenanleger jede halbe Stunde zur Chora und weiter zum Strand. Natürlich hat sich hier seit unserem letzten Besuch vor etlichen Jahren viel verändert, es ist auch jetzt Anfang Juni ziemlich voll, aber dennoch: Es gibt noch ein paar Liegen- und sonnenschirmfreie Strandabschnitte, wo man sein Badetuch ausbreiten könnte. Für den berühmten Far Out Club ist es natürlich noch viel zu früh. Wie es in der Hauptsaison hier aussehen könnte erahnen wir, als wir die Clubwerbung auf dem Inselbus entdecken.

Da ziehen wir doch lieber die Hafengegend und den Gialos Strand mit seinen Cafés und ruhigen Tavernen am Abend vor.

Ein letztes Fotomotiv vor unserer Abreise nach Sikinos ist dann doch noch die Agia Irini Kirche auf der anderen Seite der Hafenbucht, die ganz neu gestrichen in Weiß erstrahlt und quasi alle ankommenden Schiffe im Hafen willkommen heißt. Kykladisch pur.

Auf der Artemis am alten  Leuchtturm vorbei schippernd verlassen wir dann die Insel im Abendlicht mit einem leicht feuchten Auge (natürlich nur wegen des Windes) und freuen uns jetzt auf die Nachbarinsel Sikinos, die für die nächsten sieben Tage unser Domizil sein wird.

RICHIS KYKLADENFIEBER