KIMOLOS IM SEPTEMBER 2019

“It's because of the humidity…” sagte der Eisverkäufer in der Gasse von Kimolos missmutig, als mal wieder der Strom ausgefallen war. Er schaute etwas belämmert auf seine Eistruhe, sehr viele Stunden wird sein Speiseeis nicht durchhalten können. “Humidity”, dieses Wort hatte ich noch nie gehört, “Luftfeuchtigkeit”. Gut, ich kenne es nur, wenn sich die Haare kräuseln oder die Wäsche nicht ordentlich trocknet. Aber so eine Luftfeuchte habe ich noch nie erlebt. Morgens ist die Terrasse klatschnass, überall Pfützen als hätte es geregnet, in der Nacht tropft das Wasser von der Pergola. Diese Feuchtigkeit lässt wohl die Stromversorgung aus Milos immer wieder zusammenbrechen. Aber nach ein- zwei Stunden ist der Strom meist wieder da.

Wir haben uns in Kimolos trotz unseres Kurzaufenthalts recht schnell eingelebt, hatten ja schon lange vorher das Studio bei Aspasia gebucht, aber so ist das halt mit der Zimmerbucherei monatelang im Voraus. Da hat man alles bedacht, und dann kommt doch alles ganz anders. Der Wind hat unsere Aufenthaltsdauer auf Sifnos ja schon minimiert, und jetzt erfahren wir, dass es in ein paar Tagen zu einem Generalstreik kommen soll, an dem keine Fähren mehr gehen werden. Also mehr als zwei Nächte sind nicht drin.
Aspasia hatte ich angemailt, sie erwartet uns am Anleger in Psathi, als wir mit der fast leeren Artemis ankommen. Und sie erwartet noch ein Paar, hat uns gemeinsam ein Taxi bestellt, fährt mit ihrem Moped hinterher zur Pension. Vier Studios vermietet sie hier, natürlich hatten wir uns schon auf ein Zimmer mit Balkon im Obergeschoss gefreut, sie führt uns auch hinauf, wunderbar großes Apartment mit Aussicht, doch dann moniert unser Mitankömmling aus England, er hätte doch das Zimmer mit Balkon extra in seiner Buchung erwähnt. Ach ja? Aspasia ist das offenbar peinlich, sie schickt uns wieder hinunter, „Sorry, mein Fehler“. Wir dürfen das untere Studio bewohnen, das zweite obere Balkonstudio ist offenbar belegt. Und falls ich nochmals bei Aspasia wohnen möchte, buche ich ein Studio „Oben, mit Balkon.“ Nun, unser Studio mit Terrasse für uns allein ist riesig, das Nachbarstudio nicht bewohnt, was soll man sich beschweren für die paar Nächte? Und Ausblick haben wir ja zur Seite auf die Insel Poliegos. Ganz preiswert ist es nicht, Kimolos hat wohl preislich im Allgemeinen angezogen.

Ein kleiner Gang durch den Ort zeigt uns, hier hat sich seit unserem letzten Aufenthalt nicht viel verändert, schön ist es hier, es ist die angenehme Ruhe, die die Insel ausstrahlt. Was auffällt: Das Nebeneinander von Alt und Neu, von Ruinen und frisch renovierten Häusern, von Zerfall und Aufbau. Das immer mehr zerfallene Kastro neben gepflegten Neubauten.

Die etwas überdimensionierte Kirche Panagia Odigitria scheint den Ort zu beherrschen, hier wird jeden Tag gewerkelt, der Pappas ist ständig mit seinem Moped unterwegs. Und die Café-Dichte rund um die Kirche lässt erahnen, was hier im Sommer los sein muss. Viele Griechen haben halt hier ihre Sommerhäuser. Jetzt im September ist es sehr ruhig, ein paar Minimärkte sichern die Versorgung, der Bäcker hat fantastisches Mavro-Brot, wenn man früh genug kommt, und ein paar Lokale scheinen auch geöffnet zu sein. Leider hat das Restaurant Meltemi schon dichtgemacht, hochgelobt bei Bewertungsportalen. Es ist halt Saisonende auf Kimolos, wo es anderswo noch heiß hergeht.

Aber im Kali Kardia ist noch Hochbetrieb, ein Tisch nach dem anderen wird auf die Gasse gestellt, eine große Gruppe von Italienern hat sich niedergelassen. Das Inventar der Kneipe wird allmählich nach außen gekehrt. Nur die alte Jukebox bleibt an Ort und Stelle.

Am nächsten Tag reicht uns zu einer größeren Wanderung leider nicht die Zeit, und auch nicht die Lust bei der hohen Luftfeuchtigkeit und Wärme, obwohl ich den Skiadi ganz oben auf meiner Liste hatte. So muss ein kleiner Gang zum gemütlichen Klima Strand reichen, um in Ortsnähe noch zu reinem Badevergnügen zu kommen. 

Der Rückweg über den Hafenort Psathi zeigt uns den maritimen Teil der Insel. In der Taverne To Kyma ist sowohl tagsüber mit den Tagestouristen aus Milos als auch am Abend mit den Ferial-Insulanern noch gutes Geschäft zu machen. Selbst in der Hafentaverne Postali, wo bei unserem letzten Besuch immer der Hund begraben war, speisen die Leute aus Milos heute gern zu Mittag.

Denn der Ansturm der Ausflügler von Milos ist beachtlich, die neue Fähre Osia Methodia fährt noch sechs Mal täglich von Psathi nach Pollonia und zurück, wobei die Fahrpläne noch die alte Fähre Panagia Faneromeni aufweisen. Und auch Captain Yiangos dreht Mitte September noch seine Runden rund um Milos und Kimolos, wobei der sprachgewandte Tourist lernt, dass „Gyros“ nicht unbedingt etwas mit einem sich drehenden Fleischspieß zu tun hat, während er vergeblich an Bord auf diesen hofft. Ja, auch Psathi kommt ganz in Blau-Weiß daher, zwar nicht so herausgeputzt wie auf der Nachbarinsel, dennoch kann der Ort für mich nicht wirklich Charme versprühen.

Da scheint mir doch die Abendstimmung oben im Dorf gemütlicher, ja es ist richtig heimelig.
So bleibt uns am nächsten Morgen nur noch schnell Abschied zu nehmen, bevor Wehmut aufkommt. Ach ja Kimolos, Paradiso mou, einen etwas längeren Aufenthalt hättest du schon verdient, beim nächsten Mal.


RICHIS KYKLADENFIEBER