Kykladen - ein Plädoyer

 

Es ist, als ob du deinen Winterpelz ablegst. Sobald der Flieger in Athen landet, fühlst du dich wie in einer anderen Welt, frei und leicht. Die Gedanken kreisen um die Kykladen - Sonne, Wasser, die Menschen dort. Du spürst die Wärme, die dich umgibt und du vergisst alles von daheim, den Job, weißt nicht mehr, was gestern war und freust dich auf morgen. Schalte dein Telefon gar nicht erst ein. Endlich bist du unerreichbar, für eine Weile, zwei bis drei Wochen, vielleicht auch vier.

 

Wenn die langsamen Fähren den Hafen von Piräus verlassen und Athen in der Dunstglocke zurückbleibt, beginnt die Annäherung an die Kykladen, weit draußen in der Ägäis. Minute um Minute wird die Farbe des Wassers unter dir immer blauer, erreicht einen satten dunkelblauen Ton. Die erste scheppernde Ansage auf Griechisch aus den Schifflautsprechern sagt dir unmissverständlich: du verstehst zwar kein Wort, aber du bist auf dem richtigen Weg. Deine Haut ist noch blass, vom Winter nicht verwöhnt, und du krempelst schon einmal die Ärmel auf. Aber den Hut nicht vergessen, die Sonne sticht. Du gewöhnst dich an die Langsamkeit. Fünf bis sechs Stunden Muße. Wie soll das gehen? Du beobachtest dein Umfeld, machst ein paar Fotos. Das digitale Spielzeug lenkt dich ab. Aber du merkst: die Reise ist interessanter, die Ausblicke, die Geräusche. Und wie das hier riecht! Das Meer, das Schiff. Unsere Erinnerung kennt viele Bilder, die sie hervorholen kann, aber selten Gerüche.

 

Du näherst dich den Inseln, karg und unwirtlich erscheinen sie von See aus. Hier soll das Paradies sein? Kein Baum, kein Strauch. Nur kleine weiße Häuser, die sich in der Sonne langweilen. Du kommst im Hafenort an. Dein Herz beginnt zu klopfen. Du hast kein Zimmer gebucht, kennst keinen Menschen hier. Du schwörst dir: das nächste Mal wieder pauschal.

 

Aber nach fünf Minuten sieht die Welt anders aus: „Domátio, Rooms“ schallt es dir ins Ohr. Natürlich weißt du schon, welche Bleibe dich interessiert, die ausführlichen Reiseführer machen es dir leicht. Auch hast du schon etliche Infos aus dem Internet gespeichert. Du lässt dich auf das Abenteuer ein und landest z.B. bei Maria. Saubere Zimmer, Blick aufs Meer, der Preis ist auch in Ordnung.

 

Und Maria ist nett. Aus ihrem Garten bringt sie Zucchini, Kartoffeln (die dicken aus Naxos!) und Eier. Jeweils fünf Stück. Wer soll das essen? Sie lädt zu einem Kaffee, erzählt von der Familie, wobei du mal wieder ein schlechtes Gewissen bekommst. Wegen deiner fehlenden Griechisch-Kenntnisse. Den letzten Winter über wieder wenig dazu gelernt! Drei Brocken Griechisch, der Rest in Englisch, so geht´s. Und du bist überwältigt von ihrer Freundlichkeit. Die hat nichts Berechnendes, nichts Falsches, die meisten Griechen haben bewahrt, was wir als Kinder hatten.

 

Wenn du deinen Tagesrhythmus gefunden hast – Sigá, Sigá, - das ärmliche griechische Frühstück individuell aufgepeppt mit Joghurt oder Käse, deine Haut sich etwas an die Sonne gewöhnt hat und das Meer schon gar nicht mehr so salzig schmeckt wie vor ein paar Tagen, geht es in die Berge. Du findest den alten Eselsweg, der grob gepflastert hinauf führt und sich in der Landschaft verliert. Bald bist du allein, hörst nur noch den Wind und die Glocken der Ziegen. Himmel und Meer verschmelzen zu einem Panorama in der Ferne. Dein Körpergefühl kommt langsam zurück, es macht Spaß, sich zu bewegen, den Kreislauf auf Trapp zu bringen, die klare Luft zu atmen. Immer im Blick die blaue Ägäis. Die nächste weiße Kapelle am Horizont ist dein Ziel. Ein Mann auf seinem Esel kommt dir entgegen, grüßt, als wäre er ein alter Bekannter und winkt mit seinem Stock. „Jássas… Chérete…Sésti, polí sésti…Banjo, banjo…“

 

Und diese Kargheit. Sie macht den Kopf klar. Kein störendes Grün, kein Baum. Nur diese verschwenderische Fülle von Kräutern, Thymian soweit das Auge reicht, mit diesem Duft! Ein Blick durch das verstaubte Fenster der Kapelle erregt die Fantasie: von wertvollen Ikonen, goldenen Kerzenleuchtern, Pomp und Prunk. Die Tür ist offen, die Realität nüchterner: scheinbar billiges Messing, abgebrannte Kerzenstummel auf Untersetzern, in der Ecke der Putzeimer. Morbider Charme. Die Sonne brennt. Du suchst dir ein schattiges Plätzchen, möglichst am Meer. Das Bad erfrischt, so türkis kann Wasser sein! Du spürst den unbezahlbaren Luxus deines „private pool“, mit nichts zu vergleichen.

 

Zum Abend suchst du dir eine Taverne aus. Bleib in der, wo es dir gefällt, setz dich ein wenig. Du weißt, dazu brauchst du drei von diesen kykladischen Stühlen, wackelig und mit Sitzfläche aus Bast. Einen zum Sitzen, einen für das rechte Bein, einen für den linken Arm. Dann sind sie bequem. Die Qualität des Essens unterscheidet sich von Lokal zu Lokal oft nicht sehr. Ein Bauernsalat mit Feta-Käse ist schon die halbe Miete. Danach etwas vom Grill, vielleicht einen Fisch. (Der ist immer noch teuer in Griechenland, warum eigentlich?) Und wundere dich nicht, wenn dich keiner bedienen kommt. Man will ja seinen Gast nicht stören. Vielleicht will er ja nur verweilen und seine Ruhe haben. Mach dich bemerkbar, am besten mit einem kräftigen „Parakaló!“ Dann beginnt das Rad der Nacht sich zu drehen – und der Krasí in deinem Kopf.

 

Nach ein paar Tagen hast du dich eingelebt, bist ein anderer Mensch. Aber schon geht es weiter. Sachen gepackt, Schiffs-Ticket im Sack. Die Neugierde ist zu groß. Neue Insel, neues Glück. Welche Insel ist die beste? Glaub mir, die Reisepläne von daheim werden zur Makulatur. Es zählt nur das Hier und Jetzt. Fahr, wohin der Meltemi dich trägt. Jede Insel hat ihre eigenen Reize.

 

Amorgos: Felsenkloster, freundliche Mönche und wilde Natur

Anafi: Authentische Chora und weite Strände, ursprünglich

Andros: Die Insel der Reeder mit Batsí als Badeort

Antiparos: Ruhiger als der Nachbar Paros, Grüße an Tom Hanks

Donousa: Ein Hort der Bedürfnislosigkeit war es einmal

Folegandros: Griechenland wie aus dem Bilderbuch

Ios: Partyinsel mit Geschichte und schöne Strände

Iraklia: Sehenswerte Tropfsteinhöhle, gut zum Wandern

Kea: Die Insel der Athener mit dem steinernen Löwen

Kimolos: Oase der Ruhe mit einsamen Stränden

Koufonissi: Mehr als das türkis-blaue Badeparadies

Kythnos: Zwischenstopp vieler Segler und Athener

Milos: Abwechslungsreich mit seinen heißen Quellen

Mykonos: Ohne Moos nix los, mit Moos jede Menge Jetset und Nepp

Naxos: Weite Strände, den „lässige“ Naxioten, Portara am Hafen

Paros: Weißer Marmor, Blumen, Schmetterlinge und Touristes

Santorin: Postkarten-Ausblicke ohne Ende, tolle Caldera, sehr voll

Schinoussa: Sanft und klein, Oase der Luxusyachten, gute Küche

Serifos: Ursprüngliche Chora und Seglermeile am Hafen

Sifnos: Heimat der Töpfer, Köche und Wallfahrtskirchen

Sikinos: Hier hast du Zeit ohne Ende, Historisches und Ruhe pur

Syros: Die Hauptinsel der Kykladen, mit imposantem Rathaus

Thirassia: Drehort von "Kleine Verbrechen", neben Santorini

Tinos: Wallfahrts- Wind- und Taubensinsel, die Heilige mit den Opferkerzen

 

Das Abenteuer ruft. Sei nicht auf der Flucht. Wer vor sich selber flieht, wird sich auch hier nicht finden. Nur wer mit sich im Reinen ist, kann die Inseln genießen.

Denn wo – bei den Göttern - bist du besser aufgehoben als hier?

 

Finde zu dir selbst – auf den Kykladen.

 

Kaló taxídi, du wirst wiederkommen.

 


RICHIS KYKLADENFIEBER