KOUFONISSI - OKTOBER 2020

Das gleißende Licht der Sonne fehlt an diesem ersten Kykladenmorgen in Naxos, gewöhnt vom grellen Junilicht geweckt zu werden vermissen wir jetzt im Oktober die harten Schatten beim morgentlichen Bummel durch die Chora. Wir nehmen die Abkürzung vom Apollon Hotel an der Metropolkirche vorbei durch die alten Gassen, Apostolis in weichem Licht, die Tische des Naxos Cafés verwaist, das Lithos verrammelt, die Saison ist hier zu Ende. Nur bei Irini´s treffen sich schon einige Tavli-Profis, dieselben wie immer, sie lassen sich gern fotografieren. Unter der weißen Wolkenschleierdecke läuft quasi geräuschlos die Express Skopelitis in den Hafen ein, begrüßt von der Hochzeitskirche der Panagia Myrtidiótissa, der Allerheiligsten des Myrtenzweigs auf ihrem Inselchen. Wir haben genügend Zeit noch Tickets zu kaufen, das Pre-boarding health Formular auszufüllen, das man jetzt bei jeder Fährenfahrt benötigt, und im Diogenes zu frühstücken. Es ist so ruhig und beschaulich wie zuletzt vor vielen Jahren auf der großen Platia vor dem Café. Nur liefert uns heute zur Not die neue Webcam auf dem Dach des Boulamatsis mehr Details über den Ladestand der Skopi, wir leben halt in einer Kontrollwelt. Pünktlich um 14 Uhr legt die kleine Fähre mit Blumen für Aigiali und mit uns ab, nur eine Handvoll Passagiere sind mit an Bord. Die See ist ruhig, Iraklia das Ziel nur von zwei unverdrossenen Touristen, Schinoussa bleibt von dieser Spezies heute unberührt, wir nähern uns Pano Koufonissi, unserem heutigen Ziel.

Es ist nicht so, dass unsere Anreise nur durch den plötzlichen Streik der Fluglosten etwas aus der Planung geraten war, auch unser bekannter Vermieter auf Koufonissi hatte ganz kurzfristig abgesagt, sein Vater sei erkrankt und er müsse mit ihm nach Athen zur Behandlung, er müsse leider die Buchung stornieren. So habe ich mich noch schnell um eine andere Unterkunft kümmern müssen, das Angebot war allerdings sehr ausgedünnt, aber dank der bekannten Buchungsportale fand ich schnell noch etwas Passendes, und ohne großen eMail-Verkehr war die Sache im Nu erledigt. Ich war gespannt.

Lange hatten wir überlegt, welche Insel für einen Aufenthalt im Oktober noch geeignet wäre. Iraklia und Schinoussa kamen wohl nicht in Frage, die Infrastruktur für Touristen könnte dort zu dieser Zeit schon gegen Null gehen, was Unterkünfte, Restaurants, Bäcker und Supermarkt angeht. Koufonissi schien mir da geeigneter zu sein, ein intaktes Dorf mit ca. 400 Einwohnern, das musste ja irgendwie auch im Winter versorgt werden. Meinen neuen Vermieter hatte ich daher vorab gefragt, welche Geschäfte denn wohl noch geöffnet hätten. Zwei Supermärkte, drei Restaurants, Bäcker und einige Cafés wären noch auf, so schrieb er mir, er würde uns am Hafen abholen. Nun, wir sind wohl die einzigen Touristen, die die Skopelitis auf Koufonissi verlassen, und während ich mich umblicke bemerkte ich, dass selbst die neue LED-Anzeigetafel am Heck der Fähre verhüllt ist, hoffentlich nicht Corona-bedingt!

Allerdings ist niemand von unserer Pension zu sehen, doch als ich gerade mein Handy zücken will kommt unser Vermieter in seinem PKW angerauscht, hatte offenbar die Maske zu Hause vergessen, das Tragen des Mund- Nasen-Schutzes ist wohl auf der Insel nicht so üblich, wie wir auch in den nächsten Tagen feststellen sollen, außer halt bei der Bedienung in den drei Restaurants. Und einige Schulkinder greifen etwas verschreckt nach ihrer Maske, wenn sie uns auf der Gasse unvermittelt begegnen und weichen uns aus.

Unsere Unterkunft etwas außerhalb mit Blick auf den alten Hafen ist sehr schön, gut vorbereitet. Desinfektionsmittel sind bereitgestellt, auf eine tägliche Zimmerreinigung wird aus Hygienegründen verzichtet, Handtücher und Bettzeug sind reichlich vorhanden. Gut, so verbringen wir gerne ein paar ruhige Tage und Nächte, denn wir sind auch hier die einzigen Gäste. Die Vermieter sind sehr nett, wohnen oben im Haus, wir tauschen ein paar Inselerfahrungen aus, verstehen uns gut. Leider sind wegen des Flugstreiks aus den geplanten vier nur drei Nächte geworden, wir werden das Beste daraus machen. Die Wolkendecke lichtet sich an diesem Reisetag leider nicht, schnell wir es dunkel und wir erkunden auf einem ersten Weg ins Dorf, ob Supermarkt und die drei Restaurants wirklich geöffnet sind, sie sind es tatsächlich, Capetan Nicolas, der sich offenbar gerne mit „C“ schreibt, Melissa und Fos Fanari. Es geht aufs Wochenende zu, und da ist im Fos Fanari schon einiger Betrieb, auch die Inselgriechen gehen gerne aus. Touristen zählen wir während unseres Aufenthalts insgesamt nicht mehr als zwölf. Wir lassen es uns im Fos Fanari bei Souvlaki und Fava gut gehen und genießen den noch warmen Kykladenabend.

Auch am nächsten Morgen steigt das Thermometer schon über 20 Grad, die Sonne kommt heraus, die Farben leuchten wieder, der Himmel ist kodakblau, zwei Hauskatzen leisten uns auf dem Balkon beim Frühstück Gesellschaft. Das Wetter bleibt stabil, eine gute Gelegenheit, sich die Insel auch einmal von einer höheren Warte aus anzusehen, sehr groß ist die Herausforderung nicht, vorbei an den weiß-blau angemalten Überresten der Profitis Ilias Kapelle, wo traditionell am 20. Juli gefeiert wird, erreichen wir den Gipfel mit etwas mehr als einhundert Höhenmetern. Genug für unsere Beine und um einen schönen Überblick über die Inselwelt zu bekommen, über Prasoura Richtung Mákares und Donoussa, und Grund genug, bei 26 Grad eine kurze Gruß-SMS einer etwas neidischen Nissomanin zu schreiben.

Zurück geht es am alten Hafen die Küste entlang bis ins Dorf, am leergefegten Fähranleger vorbei, das türkisblaue Karibikwasser der Bucht besticht immer wieder, vereinzelt wird am Dorfstrand sogar noch gebadet. Wir kaufen im Supermarkt am Hafen noch etwas ein, frisches Brot – auch Mavro –gibt es beim Bäcker ab 18 Uhr, und schon im Abendlicht schlendern wir über die Hauptgasse, die zu dieser Jahreszeit ausschließlich den alten Damen gehört, die jungen Leute treffen sich bei Nikita´s, im Opsianos, bei Sofia oder später in der Scholio Bar am Ende der Gasse. Es ist eine Zeit, in die Insel ihr wahres Gesicht zeigt, so wie vielleicht vor 30 Jahren. Manche mögen sagen: „Ja, das kennen wir, wir fahren immer im April oder September.“ Aber jetzt ist es anders, weil Corona die Touristen fern gehalten hat. Die Dorfgemeinschaft scheint auf sich selbst zurück gekommen zu sein, wenn ich mir das Urteil erlauben darf. Wir gehen noch ein Stück weiter zu Capetan Nicolas und probieren seinen fangfrischen Fisch, beenden den Abend mit Ausblick auf die kleine Werft an der Windmühle, das Meer und die Luft sind seidenweich.

Was wäre ein Besuch auf Koufonissi ohne Badefreuden? Am nächsten Morgen machen wir uns auf, die Strände im Süden und Osten bis zum Pori Beach abzuklappern, ein wundervoller Fußweg die gesamte Küste entlang ohne Steigung, besonders reizvoll heute wegen des fehlenden Windes und der angenehmen Temperatur. Bei Finikas ist die Saison tatsächlich beendet, die Strände sind fast menschenleer, ein Bad zwischendurch wohltuend, das Wasser hat noch 23 Grad. Der Pori Beach ist menschenleer, die erste Taverne hat noch auf, die andere geschlossen, wir gehen weiter und wollen endlich auch Kleopatras Bad am Gala Beach finden, hinunter trauen wir uns allerdings nicht. Beeindruckend, wie groß die Szene ist, wir haben sie uns kleiner vorgestellt und waren doch in all den Jahren zuvor noch nie hier.
Ein schöner Höhepunkt für unseren diesjährigen Inselbesuch, den wir auch wieder am Abend bei Capetan Nicolas beenden, uns hat es dort sehr gut gefallen.

Morgen ist Reisetag, das Wetter weiß, dass es wieder wolkig werden soll, der Wind frischt auf, für die Skopelitis Richtung Amorgos sicherlich kein Problem.

RICHIS KYKLADENFIEBER