SCHINOUSSA - JUNI 2021

Sie lässt sich gern fotografieren, die alte Dame von Schinoussa. Maria Kovaiou sitzt wie immer vor ihrem „Fruit Market“ als wir vorbei gehen, ruft „Κάτσε, kάτσε λίγο“, und dann erzählt sie mir, dass sie eigentlich Marietta heißt, und wie beschwerlich das Leben doch ist. „H πλάτη μου!“ Mein Rücken - und fasst hinter sich, es schmerzt hier und dort. Richtig gut scheint es ihr wirklich nicht zu gehen. Alles was sie mir erzählt hab ich nicht verstanden, aber ich wünsche ihr gute Besserung und hoffe, dass sie noch lange lebt. Einen kurzen Blick in ihren „Fruit Market“ kann ich mir dann doch nicht verkneifen.

Schinoussa ist eine Insel mit eigenem Charakter, trotz ihrer Nähe zu Iraklia und Koufonisia. Eine liebliche, aber auch karge Insel, die ihre Schönheit gerne am Abend zeigt. Mit ihren sanften Hügeln und bewirtschafteten Getreide- und Favafeldern ist sie eher flach. Etliche Schafe weiden hier und suchen den wenigen Schatten an den Trockenmauern. Auf den staubigen Wegen merken wir einmal mehr, dass es zwei Arten von Bewohnern gibt, die rücksichtsvollen Insulaner, die auf den Staubstraßen ganz langsam an uns vorbeifahren, und die rücksichtslosen, meist zugezogenen, die uns wirklich den Staub aufwirbeln und schmecken lassen.

Unsere Unterkunft liegt am gut besuchten Livadi-Beach, gegenüber der privaten Halbinsel, deren damaliger Besitzer schon durch dubiose Aktivitäten im Bereich Kunstsammlungen laut Medienberichten in der Kritik war. Die ganze Halbinsel ist wie eine Festung gesichert, inkl. Wachturm, der halt als Taubenturm getarnt ist.

Der Hauptort Panagia ist ein lebendiges Dorf, es gibt einen Bäcker, einen Popen – wie er zum Beispiel auf Iraklia fehlt, zwei Supermärkte und natürlich auch den neuen Krankenwagen. In den Restaurants trifft man in der Saison hauptsächlich die vielen Segler an, die Schinoussa wegen des geschützten Hafens und der Buchten mehr und mehr zu schätzen gelernt haben, und die tagsüber zu den Stränden nach Iraklia ausweichen, und einige die Nacht in der Livadi-Bucht verbringen. Das Ganze hat schon dermaßen Ausmaße angenommen, dass die BlueStar bei ihrer Einfahrt in den Hafen von Mersini wegen der vielen Yachten nicht einlaufen konnte, und die Hafenpolizei erstmal Platz schaffen musste, was natürlich schnell eine halbe Stunde Verspätung für die Fähre bedeutet.

Mehr und mehr schießen Nobelunterkünfte aus dem Boden. Was früher „Rooms to let“ hieß, sind heute „Africanis Suites“, „Agnadema Luxury Residences“ oder „Theasis Luxury Suites“, unbezahlbar. Vielleicht sollen so die gutbetuchten Segler mal zu einem Landurlaub überredet werden, denn wer einmal Segelurlaub gemacht hat weiß, dass das Wohnen auf dem engen Boot irgendwie kein Luxusurlaub ist. Wir jedenfalls finden sogar noch das „Rooms to let“ - Schild von Frau Pothiti am Ortseingang, bei der wir erstmals Anfang der 1980er Jahre untergekommen sind, mit Gemeinschaftsbad, aber schon mit Strom und fließend Wasser. Dazu passt dann auch noch das alte Mitteilungsbrett auf der Hauptgasse und der Schaukasten der „Aeolia Cruses“, die mit ihrem kleinen roten Boot Inselumrundungen von Schinoussa, Koufonissi und Iraklia anbieten. Ja, Schinoussa zeigt auch noch sympathische nicht ganz aufgeräumte Seiten.

Neben dem Meltemi ist ein neuer Spielplatz entstanden, das Loza Café ist vom Dorfplatz an den Ortsrand umgezogen, es gibt Pizza und allerlei Pites bei schönem Ausblick, auch noch im Mondschein, der heute besonders hell erscheint am 24. Juni, ich glaube man nennt ihn Erdbeermond oder Strawberry Moon.

Die Menschen sind freundlich, freuen sich noch in der Vorsaison auf jeden Gast, in den Cafés wie im „Stou Peri“ oder „I Chara“ trifft sich abends das halbe Dorf auf der Gasse.

Übermorgen soll es eine Taufe geben, der kleine Sohn unser Vermieter Akathi und Georgios wird getauft. „Oh, dann gibt es wohl ein kleines Fest, so hundert Leute?“ „Eher zweihundert“ sagt Georgios zu mir, „…wir sind hier auf Schinoussa eine Familie!“ Schade, übermorgen sind wir schon weg, nach Naxos mit der Skopelitis, auf der uns nur noch ein Stehplatz auf der Treppe bleibt. Offenbar hat die Saison jetzt begonnen.

RICHIS KYKLADENFIEBER