SIFNOS - DREI TRÜMPFE, JUNI 2018

Jedes Mal, wenn ich wieder einen neuen Zeitungsartikel oder Fernsehbericht über die Kykladen sehe, über die schönen ruhigen Inseln des Südens, zucke ich erst einmal zusammen. Schon wieder wird Werbung für diese Kleinode der Ägäis gemacht, von denen ich gerade zurück komme und feststellen muss, dass der Tourismus dort in der Zwischenzeit enorm zugenommen hat. Wo früher noch im Juni tote Hose war, ist jetzt längst die Hochsaison ausgebrochen.
„Kein Wunder,“ mag manch einer sagen, „warum schreibst du auch soviel Schmalz über diese Inseln, das zieht die Leute doch nur an. Selbst schuld.“ Ja, wenn es denn so einfach wäre.
Laut statista.de wächst zwar die Besucherzahl der deutschen Urlauber in Griechenland jedes Jahr um mehr als 20 %. Aber auf den Kykladen sieht man die Deutschen nicht so oft. Wie die Naxospress.gr berichtet, meiden die Deutschen die Kykladen und wählen entweder die östliche Ägäis oder das griechische Festland. In der Folge verzeichnete z.B. Naxos einen Rückgang des deutschen Marktes im Vergleich zum Vorjahr, Januar bis Juli 2018 um -10%.

Sicher, gerade auf Sifnos gibt es etliche deutsche Wandergruppen, Sprachreisende und Individualtourismus, jedoch überwiegt gefühlsmäßig der Anteil der Engländer, Italiener und Franzosen. Und auch die Skandinavier scheinen wieder mehr im Kommen zu sein. Die kommen sicherlich nicht, weil sie im Internet die tollen Berichte von Kykladenfieber.de gelesen haben. Jedenfalls sagt Google Analytics mir etwas ganz anderes.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass wir am ersten von ein paar Tagen auf Sifnos vier Autovermieter im Hafen vergeblich abklappern, um ein Mietauto zu ergattern. Alles ausgebucht, Anfang Juni. Mit Müh und Not bekomme ich noch eine alte abgeschrabbelte Kiste für 30 € den Tag, beim letzten Händler in Kamares.
Nur gut, dass ich unsere Unterkunft in Artemonas schon vorgebucht habe. Zwar nicht mit Meerblick, aber mit schöner Aussicht in die Natur, zum Profitis Ilias rechts und nach Ano Petali links auf die Kirche. Der erste Eindruck ist schon mal gut, und nach einer Stärkung in Margaritas Taverne machen wir uns auf den Fußweg zwischen den Trockenmauern Richtung Küste zur Panagia Poulati.

Wir gehen ein Stück des Trails Nr. 1, und die Länge von 1,7 km von Artemonas ist für einen Nachmittagspaziergang geradezu ideal. Nur leider geht es immer bergab, und wir brauchen mit einigen Fotostopps – auch am alten Friedhof- schon ein Stündchen. Ich hätte gedacht, die Kirche läge erhöht über der Bucht, und der Gedanke an den steilen Rückweg schlägt mir jetzt schon aufs Gemüt. Aber was für ein Anblick!
Strahlend weiß mit blauer Kuppel thront die Panagia Poulati über der tiefblauen Ägäis, während uns im Hintergrund die weißen Häuser von Kastro mit dem vorgelagerten Kapellchen der 7 Märtyrer auf der Stupsnase im Meer anlocken. Wir warten noch ein wenig, bis ein paar nicht ganz passend gekleidete Badegäste, die offenbar von der Poulati Bucht heraufgekommen sind, ihre Kirchenbesichtigung beendet haben, und haben das Schmuckstück ganz für uns allein. Ein Postkartenmotiv am ersten Urlaubstag. Was will man mehr?

Ein kleiner Wermutstropfen liegt aber über allem: Wer jetzt auf einen spektakulären Sonnenuntergang gehofft hat, wird enttäuscht sein. Und wer je ein Bild von der Panagia Poulati mit rotgelber Sonne am Horizont gesehen hat weiß, dass es sich hierbei um einen Sonnenaufgang handelt, und der ist im Juni ziemlich genau um sechs Uhr morgens. So etwas ist mit mir nicht zu machen. Dennoch, dieser erste kleine Ausflug zeigt uns wieder einmal: Die Highlights der Kykladen liegen nicht in den Tavernen und in der Geschäftigkeit der Menschen, sie liegen ganz klar in der Natur und in den persönlichen Begegnungen. Wenn ich diese Highlights nicht mehr finde, dann wird jede Insel beliebig und ist für mich nicht mehr von Interesse.

Wie dem auch sei, auch der Gang am Abend auf dem Treppenweg von Artemonas über Ano Petali bis nach Apollonia beschert uns einen weiteren Höhepunkt, ganz unerwartet und untouristisch. Jetzt bloß nicht die Straße nehmen! Auch wenn der Aufstieg von der Panagia Poulati nicht ganz ohne war, der Treppenweg führt uns hinein ins griechische Leben. In meiner Erinnerung hatte ich diesen Weg bestückt mit vielen Cafés, Tavernen, Geschäften an den Treppenstufen. Weit gefehlt. Außer dem Bäcker und der Konditorei in Artemonas gibt es nichts, wir schlendern durch ein reines Wohngebiet, spielen mit den Kätzchen und schauen den Griechen unabsichtlich automatisch auf ihre privaten Hausterrassen, vereinzelt in Nachbarschaft der einen oder anderen Touristenunterkunft. Vorbei an der schönen Kirche in Ano Petali mündet der Treppenweg dann in die Platia von Apollonia, von wo es nur noch ein Katzensprung hinein in die Touristenmeile ist.

Das Bild der Boutiquen, Kramläden und Restaurants hier hat sich in den letzten Jahren nicht verändert, fast alle Tavernen sind gut besucht, und wir ergattern noch ein Plätzchen im so hoch gelobten Drakakis, nachdem wir im Cayenne wegen Überfüllung leider keine Chancen hatten.

Immer öfter besetzen die größeren Reise- und Seglergruppen mit einem Schlag gern manche Lokale, anstatt sich auf das örtliche Tavernenangebot zu verteilen, und so sind die ellenlang gedeckten Tische schon ein Warnzeichen dessen was gleich kommen wird.
Aber, ich muss sagen, neben dem Töpferhandwerk und den schönen Wanderwegen ist ja die gute Küche nach wie vor ein Trumpf von Sifnos. So genießen wir das schmackhafte Essen im Drakakis und bleiben weiter auf der Suche nach etwas abgelegenen aber guten Lokalen. Und wir werden am nächsten Tag fündig, am Rande von Artemonas hat das Perivóli soeben für diese Saison geöffnet. Auf uralten mit Kapernstäuchern an den Trockenmauern gesäumten Wegen gelangen wir nur zu Fuß dorthin, und Alexandros, der Kellner des Hauses, verwöhnt uns in den nächsten Tagen mit immer neuen kulinarischen Überraschungen. Hier erleben wir einmal mehr, dass sich in Griechenlands Inselküchen einiges getan hat, es gibt neben den traditionellen Tavernen neuen Schwung in alten Küchen.

Die Tage  vergehen wie im Fluge, jeder Tag ist wie ein Geschenk, wir besuchen die bekannten Orte, zahlen stolze 1,943 Euro pro Liter Benzin und legen uns bei Vathi neben die sunbeds für 12 Euro in den Sand. Irgendwo muss man ja sparen.

Die Buchten von Faros und Fassolou machen noch einen recht beschaulichen Eindruck, bei Dimitri in der Fassolou Taverne wird wohl gerade ein großes Hochzeitsessen vorbereitet.

Da wollen wir nicht stören und gehen lieber am Faros Strand auf den schönen Uferweg, der uns bis zum Kloster Chrisopigi führt.

Am Nachmittag hüllt sich plötzlich der Profitis Ilias völlig in Wolken, jedoch Agios Simeon scheint wolkenfrei zu bleiben, und so wagen wir noch einen kleinen Ausflug. Jetzt wissen wir dann auch, in welcher Kirche das heutige Hochzeitspaar getraut wird, das wohl später in der Fassoloubucht feiern wird, und wir trauen unseren Augen nicht, als wir die Hochzeitsgesellschaft oben in Agios Simeon finden. Nichts wird aus der Besichtigung, aber immerhin gibt es ein paar stimmungsvolle Fotos mit Hochzeitsgesellschaft und Wolkenpanorama, während die ellenlangen orthodoxen Gesänge aus der Kirche hallen. 

Eine kleine Wanderung am nächsten Tag aber müssen wir noch machen, der „Balkonweg“ über der Ägäis hatte es mir angetan, der Wanderweg Nr. 8 von Artemonas in Richtung Agios Sostis, jedoch werden wir diesmal im Hinblick auf die Erfahrungen mit der Panagia Poulati Tour den Abstieg nach Agios Sostis wohl vermeiden. Immerhin führt uns der Weg nach Norden durch das ursprüngliche Artemonas bis nach Agia Anna, von wo der wundervolle Balkonweg beginnt. Gut drei Kilometer gehen wir hier oben fast ohne Höhenunterschied, begegnen außer einem Bauern mit seinem Muli keinen Menschen, und wandern bis zur Panagia ta Magana, einem traumhaft friedlichem Platz für unsere zwei Kerzen.

Am dritten Tag bilden wir uns ein, dass es jetzt auf Sifnos noch voller geworden sei, an unserem Badetag am Faros Strand. Ein kleiner Abstecher nach Cherronisos hilft zum Entfliehen, an der Nordspitze der Insel herrscht Ruhe pur.

Da kommt man schon ins Sinnieren, was wäre wenn, und ich komme zu dem Schluß: Wenn Mykonos und Sikinos Kinder gezeugt hätten, dann wäre Sifnos dabei heraus gekommen, eine Insel mit einer gewissen Geschäftigkeit auf der einen Seite, und absoluter Ruhe auf der anderen.
Und auch mit dem dritten Trumpf von Sifnos, dem Töpferhandwerk habe ich noch so meine Erfahrung gemacht. Unser Vermieter hatte auf unserem Balkon so einen halbierten Tonkrug in der Fensternische dekoriert, den ich durch Unachtsamkeit leider zerdeppert habe. Natürlich musste ich mich dann um Ersatz bemühen. Das ist aber auf Sifnos kein Problem, auch in Artemonas gibt es eine Handvoll Töpfer, die sehr schöne Keramiken herstellen. Aber das entsprechende Teil fand ich in einer Töpferei in Kamares, bei Kostas Mamidas. Nur zehn Euro hat das gute Stück gekostet, und hängt jetzt wieder an der Wand. Jetzt ist alles geklärt für unsere Weiterfahrt nach Naxos.


RICHIS KYKLADENFIEBER